Vom Jünglingsverein in Reutlingen nach China: Das Leben Karl Zwisslers

Schon früh war er entschlossen, Missionar zu werden, der Schustergeselle Karl Zwissler in Reutlingen. Im Evangelischen Jünglingsverein, der sich damals im „Evangelischen Vereinshaus“ in der Metzgerstr. 13 traf und der sich 1911 in CVJM umbenannte, hatte er viel über die Mission gehört, da ein Sohn von Stadtmissionar Limbach als Missionar in Indien tätig war. Der Verein besaß sogar eine eigene Missionskasse. Im Jahr 1891, als er gerade 16 Jahre alt war, schickte Karl Zwissler aus der Mauerstr. 25  seine erste Bewerbung nach Basel – begleitet von einer Empfehlung des Vereinsvorsitzenden Hermann Dannert. „Viel zu jung; soll sich später wieder melden“ lautete die kurze Antwort. Zwei Jahre später schrieb er die zweite Bewerbung. „Zu unsicher im Glauben, zu überschwänglich im Ausdruck“ hieß es dieses Mal aus Basel. Karl Zwissler ließ nicht locker. Er machte ein Praktikum als „Stadtmissionarsgehilfe“ in Ludwigshafen a.Rh. und schickte 1894 seine dritte Bewerbung. Diesmal wurde er angenommen.

Nach der umfangreichen Ausbildung in Basel kam er nach Reutlingen zurück und wurde am 9. Juni 1901 von Dekan Ströle im Gottesdienst in der Marienkirche zum Missionar ordiniert und nach China ausgesandt.  Dort hatte Rudolf Lechler aus Hundersingen 1846  in der Region von Hongkong die Arbeit der Basler Mission begonnen.

Nach dem Erlernen der Sprache und der schwierigen Schrift mit ihren Tausenden von Zeichen bat er beim Komitee um Erlaubnis, seine Verlobte Maria Lödl heiraten zu dürfen. Diese hatte er während seiner Ausbildung in Basel kennen und lieben gelernt. Dieser Antrag  führte zu einer großen Verärgerung im Komitee: Eine Verlobung vor der Ausreise war streng verboten; die Zöglinge sollten während ihrer Ausbildung durch nichts abgelenkt werden. Erlaubt wurde die Heirat trotzdem. Maria durfte ausreisen. Geheiratet wurde in Hongkong. Das Ehepaar arbeitete in Honyen im Landesinneren nördlich von Hongkong unter den Hakka-sprechenden Chinesen.

1911 war es Zeit für einen Heimaturlaub, verlängert durch eine Tätigkeit als Heimatmissionar in Straßburg für den Elsass und für Baden. Dann reisten sie nach Reutlingen, um hier die Koffer für die erneute Ausreise nach China zu packen. Da brach der 1. Weltkrieg aus. Es war keine Ausreise mehr möglich. Stattdessen trat er in den Dienst der Landeskirche und wurde als Pfarrverweser in Schömberg (Schwarzwald) und in Eutendorf (bei Gaildorf) eingesetzt. Die Gemeindearbeit machte ihm Freude, aber die Sehnsucht nach China war ungebrochen.

1921 reiste das Ehepaar wieder aus. Vier Kinder blieben hier zurück, die beiden Ältesten im kirchlichen Seminar, die beiden anderen bei den Verwandten hier in Reutlingen. Nur das jüngste Kind wurde mitgenommen. 

Dieses Mal wirkte Karl Zwissler als Leiter des Predigerseminars in Lilong. Hier wurden die Katechisten und die einheimischen Pfarrer ausgebildet. Dazu gehörte die verantwortungsvolle Aufgabe, die Kirche in China auf die Unabhängigkeit vorzubereiten. Das Ziel war eine Kirche, die sich selbst ausbreitet, sich selbst leitet und sich selbst finanziert.  Die Selbständigkeit kam dann bald nach seinem frühen Tod 1923.

Die Basler Kirche in China schloss sich später mit allen anderen evangelischen Kirchen zum Chinesischen Christenrat zusammen. Die Hakka-sprechenden Christen in Hongkong, das bis 1997 eine englische Kolonie war, bilden die Tsung Tsin Mission-Kirche (TTM). Diese ist unserer Landeskirche ein wichtiger Partner. 2012 kam eine Delegation von Hongkong nach Württemberg, um ein Erinnerungsmonument auf dem Grab von Rudolf Lechler in Kornwestheim zu errichten. Die schwäbischen Wurzeln ihrer Kirche sind in China nicht vergessen.

Jürgen Quack

Bilder:   

Karl Zwissler

Predigerseminar in Lilong

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